Das Klischee des jungen, hippen und attraktiven Homosexuellen trifft oft auf Großstädte zu. Im Alter ist das Coming-Out jedoch meist weniger schrill und kunterbunt. Viele ältere lesbische und schwule Senioren verbringen ihre Tage allein. Sich im Alter zu seiner Sexualität zu bekennen, ist schwierig.
Es ist ein Gefühl, ein Leben lang mit einer Lüge gelebt zu haben. Jetzt, wo die Zeit knapp wird, steht die Entscheidung an, ehrlich zu sein. Viele Menschen bekennen sich erst im Alter zu ihrer Homosexualität. Dieser Schritt ist oft schwieriger als in jungen Jahren – besonders wenn Familie und Kinder involviert sind.
Ein Outing im Alter hat oft nichts damit zu tun, dass erst spät die eigene Sexualität erkannt wird. „Normalerweise ist die eigene Homosexualität schon früh bekannt, und es gibt jahrelang ein Doppelleben mit Ehe und Familie“, sagt Markus Schupp, Koordinator für schwule Seniorenarbeit im Sozialwerk für Lesben und Schwule Köln. Auch Marco Pulver vom Netzwerk Anders Altern der Schwulenberatung in Berlin berichtet, dass sich ein Großteil der Männer erst später im Leben outet.
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Ilona Schulz, die sich um die lesbische Seniorenarbeit in Köln kümmert, erklärt, dass Frauen oft noch mehr Angst haben, sich zu outen, insbesondere aufgrund der historischen Hintergründe. Ältere Lesben haben gelernt, sich zu verstecken und dies wurde zu einem Teil ihrer Identität. Während des Nationalsozialismus wurde Frauen eine eigene Sexualität abgesprochen und sie wurden gezwungen, sich dem Mann zu unterordnen, Kinder zu bekommen und den Haushalt zu führen. Ein Coming-Out wirft viele Fragen auf, wie zum Beispiel, wie man es dem Partner, den Kindern und dem Freundeskreis beibringt. Selbst wenn man nach der Trennung eine Vereinbarung mit dem alten Partner trifft, ist die Scheidung schwierig. Frauen, die ein traditionelles Rollenbild gelebt haben, haben es besonders schwer, aus dieser Rolle auszubrechen.
Das Outing kann für die Betroffenen zunächst enttäuschend sein, da sie nicht wissen, in welche Welt sie kommen sollen, da sie nur die Perspektive des Versteckens kennen. Schupp sagt: „Sie sehen CSD-Umzüge und bunte Kneipen, aber das ist kein Leben, das auf Menschen in ihrem Alter wartet.“
Selbst wenn man schon seit geraumer Zeit offen homosexuell gelebt hat, kann das Altwerden eine Herausforderung darstellen, so Marco Pulver. Als junger schwuler Mann sei es einfach, Anschluss zu finden, da es ein Schönheitsideal gebe und der Kontakt oft über Sexualität hergestellt werde. Doch im Alter falle dies weg.
Peter Sibley bezeichnet sich selbst als „alt und schwul“. Der 71-Jährige lebt in Berlin im „Lebensort Vielfalt“ in einer Achter-WG für pflegebedürftige ältere Schwule. Er versteckt seine Persönlichkeit nicht und verlässt sich im Alter, wenn die körperliche Anziehungskraft nachlässt, auf seine anderen Talente wie Schauspielerei, Kochen und Gärtnern.
Sibley ist aktiv in Schwulenforen und sieht das Netz als Zugang zur Welt. Er findet es großartig und weitaus weniger mühsam als früher, Menschen kennenzulernen, indem er stundenlang in Bars saß und Drinks kaufte, nur um einmal im Monat eine Telefonnummer zu bekommen.
Hier ist ein viel einfacherer Weg, um Gleichgesinnte zu treffen.
Laut Marco Pulver ist der einzige Weg gegen Einsamkeit im Alter die Kontaktaufnahme zu Gleichgesinnten. In größeren Städten sei es ratsam, Angebote für Homosexuelle zu nutzen, einfach anrufen und vorbeigehen. Es gebe Leute, die dadurch wieder richtig aufblühen.