Senioren geraten in Armut, während Pflegeheime profitieren – Es wird empfohlen: „Versuche bloß nicht pflegebedürftig zu werden“.  

Alle sind sich einig, dass dringend etwas an der Pflegesituation geändert werden muss. Ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung des BIVA-Pflegeschutzbundes sprach über die Hauptprobleme der Pflegeversicherung und wie eine verbesserte Pflege in Deutschland aussehen könnte. 

Welche Probleme treten typischerweise bei Ihnen in der Rechtsberatung auf? 

Die meisten Anfragen drehen sich um die stark gestiegenen Entgelte in letzter Zeit. Auch Mängel in der Pflege beschäftigen uns sehr. Darüber hinaus erhalten wir viele Anfragen zur Sozialhilfe: Wie kann ich diese beantragen? Habe ich Anspruch auf Wohngeld im Pflegeheim? Diese Fragen erreichen uns zunehmend. 

Pflegebedürftigkeit stellt das größte Armutsrisiko für ältere Menschen dar. Was sind die Hauptgründe dafür? 

Die Kosten für die Pflege sind seit dem letzten Herbst stark gestiegen. Einerseits müssen Pflegekräfte nun nach Tarif bezahlt werden. Andererseits sind auch die Kosten im Heim angestiegen, beispielsweise durch höhere Energie- und Lebensmittelkosten, die von den Pflegeheimen getragen werden müssen. Diese Kosten werden einfach an die Bewohner weitergegeben – mit einem durchschnittlichen Eigenanteil von 2400 Euro pro Monat. Die Pflegekasse zahlt nur den gesetzlich festgelegten Zuschuss je nach Pflegegrad und nicht mehr.“ 

Pflegeheime profitieren: Warum Seniorenarmut immer mehr zunimmt 

Die gesetzliche Pflegeversicherung leidet unter dauerhafter Unterfinanzierung. Wie könnte sie verbessert werden? 

Momentan wird die Pflegeversicherung nur von den Pflichtversicherten – also den Arbeitnehmern – mit 3,05 Prozent des Bruttolohns finanziert. Bei kinderlosen Versicherten sind es 3,4 Prozent. Mit der aktuellen Pflegereform soll der Beitrag auf 3,4 Prozent erhöht werden. Doch das reicht bei weitem nicht aus. Im Vergleich zu unseren Nachbarländern, insbesondere den Niederlanden, zahlen die Bürger dort etwa zehn Prozent ihres Bruttolohns ein. Zudem haben sie eine Bürgerversicherung, in die auch Selbstständige und Beamte einzahlen. 

Eine stärkere Erhöhung der Beiträge würde vermutlich auf massiven Widerstand stoßen. Deshalb wird dies auch nicht umgesetzt. Die zentrale Frage für die Politik ist daher: Soll die Pflege über Versicherungsbeiträge oder Steuergelder finanziert werden? Aktuell erfolgt eine gemischte Finanzierung durch Versicherungsbeiträge, Bundeszuschüsse und Sozialhilfe. 

Plädieren Sie als Pflegeschutzbund für eine drastische Beitragserhöhung oder sollte das System komplett umstrukturiert werden?  

Es gibt unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema, auch innerhalb unserer Organisation. Persönlich halte ich eine Versicherung zur Deckung der Grundbedürfnisse für fragwürdig. In skandinavischen Ländern wird die Grundversorgung über Steuern finanziert, was ich sinnvoller finde. Als Pflegeschutzbund fordern wir jedoch grundsätzlich eine Bürgerversicherung, in die alle einzahlen – auch Selbstständige und Beamte. Dies war bereits geplant, wurde jedoch durch eine Pflegereform ersetzt, die kaum Veränderungen mit sich bringt, abgesehen von einer leichten Beitragserhöhung. 

Wie werden die Kosten in den Einrichtungen eigentlich berechnet? Gibt es hier vielleicht jemanden, der sich persönlich bereichert? 

Das ist nicht ganz klar. Die genauen Abläufe der Verhandlungen zwischen den Pflegekassen, den Sozialhilfeträgern und den Einrichtungen sind uns nicht bekannt. Eigentlich sollten die Kostenträger eine Plausibilitätsprüfung durchführen, aber ich bin ehrlich gesagt unsicher, ob sie wirklich so gut aufgestellt sind, dass sie dies immer tun. Es wird oft berichtet, dass diese Verhandlungen über die Pflegesätze wie auf einem Basar ablaufen. Zahlen werden hin und her geworfen und man einigt sich irgendwo in der Mitte, ohne dass dies nachvollziehbar ist. 

Gibt es keine Transparenz in diesem Prozess? 

Nein, für Heimbewohner gibt es nur Transparenz, wenn der Heimbeirat an den Verhandlungen teilnimmt. Dies ist jedoch nur in Bayern und Baden-Württemberg erlaubt. Aber selbst dort nehmen die wenigsten Heimbeiräte teil, da es ein kompliziertes Verfahren ist. Wenn es jedoch vorkommt, dass jemand aus unserem Verein zufällig an den Verhandlungen teilnimmt, dann hören wir immer wieder die gleiche Aussage: Es gleicht einem Basar. 

Und wahrscheinlich verhandeln die Pflegekassen nicht besonders hart, da sie sowieso nur einen festen Betrag zahlen müssen. 

Genau. Sie sollten eigentlich prüfen, wie die Kosten entstehen. Aber ob sie diese Aufgabe wirklich erfüllen… Da kann man zumindest Zweifel haben. 

Das bedeutet, dass es möglich ist, dass Heimleitungen hier die Gelegenheit nutzen, Gewinne zu erzielen? 

Genau das ist nicht auszuschließen. Wenn man hört, dass einige Einrichtungen hohe Renditen erzielen, dann sieht man schon, dass etwas bei den Verhandlungen über die Pflegesätze nicht stimmt. 

Wie können sich Menschen davor schützen, in diese Armutsfalle zu geraten? 

Eigentlich gar nicht. Der Schutz vor der Armutsfalle lautet: Werden Sie bloß nicht pflegebedürftig. Um das Risiko der Armut zu verringern, müsste der Staat eine umfassende Pflegereform auf den Weg bringen. 

Allerdings kann man eine Zusatz-Pflegeversicherung abschließen. Wie bei fast allen Vorsorge-Versicherungen spielt aber der Eintritt eine entscheidende Rolle. Einen sehr guten Überblick über Zusatz-Pflegeversicherung findest du hier. *

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