Senioren-Benachteiligung: Warum Respekt für Ältere unerlässlich ist 

 

Es wurde von Forschern festgestellt: Wer ältere Menschen nicht respektiert, schadet ihnen – und letztendlich auch sich selbst. Sie verfügen über Lebenserfahrung, haben Krisen und manche Kriege erlebt, zwei Generationen großgezogen und einige von ihnen länger gearbeitet als ihre jungen Kollegen alt sind. Sie legen weite Strecken bei jedem Wetter zurück, treten beim Indoorcycling härter in die Pedale als der ehrgeizige Nachwuchs, joggen im Park. Auch wenn früher vielleicht einiges besser war: Sie haben auch schon Schlimmeres durchgemacht. Die Rede ist von knapp 25 Prozent unserer Gesellschaft im Alter über 60 Jahre. 

Studien zeigen leider immer noch Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber älteren Gruppen auf. Experten belegen zudem, dass Ältere in Deutschland in verschiedenen Lebensbereichen benachteiligt und diskriminiert werden – obwohl dies gesetzlich verboten ist und einer modernen Gesellschaft keinesfalls angemessen wäre. 

Im Jahr 2020 bezog jede zehnte Beratungsanfrage an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes das Merkmal Alter mit ein. Dazu gehören Benachteiligungen am Arbeitsplatz, bei Jobsuchen sowie Finanz- oder Bankgeschäften oder auch privaten Versicherungen. 

Ein weiteres Problem stellt die mangelnde Barrierefreiheit in medizinischen Einrichtungen dar.  

Altersdiskriminierung ist bedauerlicherweise in der Arbeitswelt weitverbreitet. Besonders ältere Menschen haben es schwer, einen Job zu finden. Hanne Schweitzer vom Büro gegen Altersdiskriminierung berichtet, dass nur rund die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen im Jahr 2022 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung hatte. Die Bundesagentur für Arbeit meldete im Oktober 2023, dass 46 Prozent der Langzeitarbeitslosen über 55 Jahre bereits seit einem Jahr vergeblich nach einer Stelle suchen. 

Ein trauriges Beispiel dafür ereignete sich in einer Kölner Verlagsdruckerei, wo letzten Oktober plötzlich über 200 Mitarbeiter über dem Alter von 55 Jahren entlassen wurden. 

Die Digitalisierung führt ebenfalls zu großen Nachteilen für ältere Menschen. Sie werden oft ausgeschlossen, da viele Bereiche des Lebens digitalisiert sind und alternative Zugangswege fehlen. Dieser Zwang zur Digitalisierung nagt am Selbstbewusstsein Betroffener. 

Zudem gibt es handfeste Benachteiligungen durch das Wegbrechen traditioneller Dienstleistungen wie Fahrkartenkauf, Autovermietung oder Arzttermine – fast alles muss heutzutage online erledigt werden. Die Leiterin des Büros gegen Altersdiskriminierung beklagt diese Entwicklung zurecht. 

Kein ausreichender Schutz vor Altersarmut 

Gemäß dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2021 ist die Armutsquote bei älteren Menschen seit 2006 um 66 Prozent angestiegen. Die Rentnergruppe zeigt dabei den deutlichsten Anstieg beim Armutsrisiko. In Deutschland sind 9,3 Millionen Rentner von Armut betroffen, wobei jede zweite Rente unterhalb von 900 Euro liegt. „Rentner stellen eine besondere Risikogruppe für Armut dar, und diese Zahl wird voraussichtlich weiter steigen“, warnt Bentele. 

Sollten keine effektiven Gegenmaßnahmen insbesondere im gesetzlichen Rentensystem ergriffen werden, so werden laut der Präsidentin des Sozialverbands immer mehr Personen ihre Rente mit Grundsicherung im Alter aufstocken müssen. „Allein zwischen 2022 und 2023 stieg die Anzahl älterer Menschen im Rentenalter, die zusätzlich zu ihrer regulären Rente staatliche Grundsicherungsleistungen beziehen müssen, um zehn Prozent an“, sagt Bentele, die Präsidentin des Sozialverbands VDK Deutschland. Die Dunkelziffer sei sogar noch höher. 

 

Altenpflege und Betreuung in katastrophalem Zustand 

 Die Lage in der Altenbetreuung in Deutschland ist bereits düster; jedoch sind die Zukunftsaussichten noch alarmierender. Bis zum Jahr 2035 könnten deutschlandweit laut Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bis zu 307.000 Pflegekräfte fehlen, wobei sich diese Versorgungslücke bis auf möglicherweise 500.000 Fachkräfte vergrößern könnte. 

Was stationäre Pflegeplätze betrifft, prognostiziert das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung einen Mangel von rund 322.000 Plätzen bis zum Jahr. Da ältere Menschen im Vergleich zu anderen Altersgruppen überproportional häufig pflegebedürftig sind, stellt dies eine weitere Benachteiligung dar. 

Viele Praxen befinden sich in Altbauten ohne Aufzug und sind somit für viele ältere Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen unzugänglich“, kritisiert Bentele. Die Möglichkeit der freien Arztwahl wird damit für diese Personengruppe einfach umgangenen. 

Besonders die Ausgrenzungen, die vom Staat oder von der öffentlichen Verwaltung ausgehen, werden von den Betroffenen als sehr schwerwiegend empfunden. Dies bestätigt auch Verena Bentele. „Viele Banken bieten günstige Konten nur noch im Onlinebanking an. Das stellt ein großes Problem für viele ältere Menschen dar, die keinen Internetzugang oder keine entsprechenden Endgeräte besitzen“, erklärt die Präsidentin des Sozialverbands. 

Es sollte jedem und somit auch älteren Menschen das Recht eingeräumt werden, ohne digitale Medien und autonome technische Systeme zu leben. „Jeder Mensch soll das Recht haben, ohne Computer oder Smartphone auszukommen. Immerhin ist niemand dazu verpflichtet, ein Auto oder Fernsehgerät zu benutzen“, sagt Schweitzer. Daher sollte jeder selbst entscheiden dürfen, ob er digitale Technologien nutzen will. 

“Älteren Personen ist möglicherweise mehr bewusst als jüngeren Personen, dass digitale Medien und autonome Systeme stark in ihre Privatsphäre eingreifen können. Es werden Daten gesammelt, analysiert sowie gespeichert und weitergegeben. Diese Informationen können mit anderen Daten verknüpft werden und unter ungünstigen Umständen beispielsweise zu betrügerischen Online-Praktiken führen.” betont Schweitzer. 

Die Kosten für die ambulante und stationäre Pflege steigen enorm an, ohne dass sich die Leistungen verbessern. Es ist besorgniserregend, dass praktisch jeder ohne angemessene Qualifikation einen privaten Pflegedienst eröffnen kann, kritisiert Schweitzer. Die Überwachung der Heime und Einrichtungen muss daher verstärkt werden und die Politik sollte endlich aktiv werden. 

Eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wird als dringend notwendig erachtet. Der Schutz vor Benachteiligung im zivilrechtlichen Bereich muss spürbar gesteigert werden. Alle öffentlich angebotenen Dienstleistungen, einschließlich Gesundheitsdiensten, müssen frei von Diskriminierung sein, fordert Bentele. Darüber hinaus sind Änderungen im Versicherungsvertragsrecht erforderlich, wo eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Alters teilweise noch erlaubt ist. „In der Praxis missbrauchen Versicherungsunternehmen solche Ausnahmeregelungen oft für pauschale Ausschlüsse oder überhöhte Tarife – dies erschwert den Betroffenen die Nachvollziehbarkeit der Verweigerung oder Risikoeinschätzung. Eine dringende Anpassung im Rahmen einer AGG-Reform ist hier unabdingbar“, so Bentele.