Rentner in Not: Mangel an barrierearmen Wohnungen zwingt zum Arbeiten 

Auch Senioren sind von der Wohnungsnot betroffen. In ganz Deutschland fehlen Millionen barrierearme Wohnungen. Einige Rentnerinnen müssen sogar im hohen Alter noch arbeiten, um sich die Miete für eine nicht mehr geeignete Wohnung leisten zu können – jedoch ohne Erfolg bei der Suche nach einer anderen. 

Thomas Meyer benötigt dringend ein altersgerechtes Zuhause mit Barrierefreiheit. Vor 24 Jahren zog er in seine 40 Quadratmeter große Wohnung, als er noch als Koch tätig war. Vor etwa zehn Jahren wurde er aufgrund schwerwiegender gesundheitlicher Probleme berufsunfähig und bezieht seitdem eine Rente wegen Erwerbsminderung. 

Thomas Meyer würde gerne in eine altersgerechte Wohnung umziehen, doch es gibt nur wenige davon in seiner Gegend und sie sind auch viel zu teuer. „Ich weiß, dass ab einer Größe von 64 Quadratmetern die Mieten beginnen und die Kaltmiete pro Quadratmeter zehn Euro beträgt. Das kann ich mir wirklich nicht leisten.“ 

Nach Abzug der Miete und aller Fixkosten bleiben ihm bereits heute nur noch 300 Euro zum Leben übrig. „Da muss man hier und da etwas einsparen, damit man sich mal einen Kaffee gönnen kann“, erklärt er weiterhin besorgt über seine finanzielle Lage. Wie lange er noch in dieser Wohnung leben kann, ist ungewiss. Die Verschlechterung seines Gesundheitszustands im Alter macht ihm zusätzlich Sorgen. 

In ganz Deutschland fehlen Millionen barrierearme Wohnungen Aktuell gibt es etwa 600.000 altersgerechte Wohnungen im ganzen Land, doch der Bedarf ist um ein Vielfaches höher und wird von Jahr zu Jahr weiter steigen. Laut einer Studie des Pestel-Instituts aus dem letzten Jahr fehlen in Deutschland derzeit etwa 2,2 Millionen altersgerechte Wohnungen ohne Treppenstufen, dafür mit bodengleicher Dusche und genügend Platz für die Nutzung eines Rollstuhls oder Rollators. 

Andreas Breitner, Geschäftsführer des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, warnt: „Wir benötigen in Deutschland mehr Wohnungen. Die Bundesregierung geht zwar von einem Plus von 400.000 Wohnungen aus, aber wir schaffen gerade mal gut 200.000 davon. Die Nachfrage ist jedoch deutlich größer. Das bedeutet, dass sich der Wohnungsmarkt immer weiter verengt und einkommensschwache Gruppen schneller benachteiligt werden.“ 

Seniorin in ihrem Rollstuhl in der Wohnung

Große Wohnung – hohe Betriebskosten 

Claudia Schultze wohnt seit über 50 Jahren in deiner Wohnung in Iserbrook im Westen von Hamburg. Hier hat Claudia alleine ihr Kind großgezogen. Doch mittlerweile bereitet ihr die Wohnung viele Probleme: Es gibt Schwellen zwischen den Zimmern und der Badewannenrand ist zu hoch. Claudia Schultze ist schon mehrmals gestürzt, weil diese Hindernisse für sie zu schwierig sind, erzählt die Rentnerin. 

Noch größere Sorgen machen ihr jedoch die hohen Mietkosten. Die Wohnung ist für eine Person wie sie zu groß. Claudia muss fast 1.000 Euro im Monat für 96 Quadratmeter zahlen. Von ihrer monatlichen Rente von 1.300 Euro bleiben nur noch 300 Euro zum Leben übrig. Selbst mit 80 Jahren muss Claudia deshalb zusätzlich arbeiten gehen. „Ich arbeite vor allem dafür, meine Miete bezahlen zu können, das ist der Hauptgrund“, sagt sie. „Ich würde auch gerne mal einen Kaffee trinken oder ein Stück Kuchen essen gehen können.“ 

Es ist schwer seniorengerechte Wohnungen zu finden, besonders wenn man dafür einen Wohnberechtigungsschein benötigt – so wie Claudia es tut, aufgrund ihres Einkommens aus Arbeit und Rente. Es war ein Teufelskreis; doch nun hat Claudia ihre Arbeitszeit reduziert und dadurch endlich einen Wohnberechtigungsschein erhalten. In den nächsten Monaten möchte sie sich intensiv um eine neue Wohnung bemühen. 

Mehr Wohnprojekte, die den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden, könnten eine Lösung sein. Claudia Schultze hat wirklich großes Glück gehabt. Die 81-jährige Rentnerin lebt jetzt in einer barrierearmen Wohnung in St. Georg, Hamburg. Mit ihrer monatlichen Rente von knapp 1.300 Euro kommt sie jetzt gut zurecht, auch weil die Miete nur noch 500 Euro beträgt. Die Wohnung ist 43 Quadratmeter groß und verfügt über einen Fahrstuhl sowie keine Treppen oder Badewanne – letztere könnte sie ohnehin nicht mehr benutzen. 

Der Leiter einer Stiftung, die größtenteils durch Spenden finanziert wird: „Schon bei der Eröffnung hätten wir das Haus zehnmal füllen können und auch jetzt besteht eine hohe Nachfrage nach günstigen und barrierefreien Wohnungen.“ Es gibt viel mehr Menschen auf der Suche nach solchen Wohnungen als tatsächlich zur Verfügung stehen können.“ Gerne würde er noch mehr bauen, jedoch sind steigende Zinsen momentan ein Hindernis für weitere Wohnungen seitens der Stiftung. Ein aktuelles Projekt wurde sogar vorübergehend gestoppt wegen zu hoher Baukosten. Es ist riskant das Risiko geförderter Baukredite einzugehen, um zusätzliche altersgerechte und bezahlbare Wohnungen zu schaffen. 

Es werden deutlich mehr Wohnungen benötigt als tatsächlich gebaut werden. Hinzukommt der steigende Bedarf an Pflegeleistungen da Deutschland immer älter wird. Die herkömmlichen Versorgungsformen wie ambulante oder stationäre Pflege können der Nachfrage nicht gerecht werden. Das bedeutet, dass wir alternative Wohnformen brauchen, barrierefreie und günstige Wohnungen. Es gibt also viel zu tun. 

Die Förderung für Umbauten reicht nicht aus. Das Bundesbauministerium betont, dass im Jahr 2024 150 Millionen Euro für den altersgerechten Umbau bereits bestehender Wohnungen zur Verfügung stehen sollen – vorausgesetzt der Bundeshaushalt wird wie geplant verabschiedet. Experten des Pestel-Instituts haben jedoch einen Bedarf von mindestens 500 Millionen Euro errechnet, um altersgerechte Neu- und Umbauten durchzuführen, da die Deutschen immer älter werden und die geburtsstarken Jahrgänge in den nächsten Jahren in Rente gehen. Es ist dringend erforderlich mehr altersgerechter Wohnraum zu schaffen. Doch bis neue Programme für solche Wohnungen Ergebnisse bringen, müssen Betroffene mit ihrer aktuellen Situation weiterleben.