Ruhesitz auf dem Bauernhof: Hier leben Senioren zusammen mit Landwirten, Pflegern und Tieren.
Die Nachfrage nach Wohnraum für ältere Menschen in landwirtschaftlichen Betrieben ist sehr hoch. Ein Beispiel dafür ist ein Pflegebauernhof im Westerwald, bei dem beide Seiten profitieren. Die Umwandlung in eine Art Wohngemeinschaft auf dem Bauernhof begann 1999, als der Großvater verstarb und die Großmutter alleine zurückblieb. Die Familie fragte sich, wie es mit dem landwirtschaftlichen Betrieb weitergehen sollte. Sie wollten den Hof nicht aufgeben, denn er war bereits seit 1771 im Familienbesitz. Genauso wenig wollten sie die Großmutter ins Altersheim stecken. „Selbst als die Oma später pflegebedürftig wurde, suchten wir unbedingt nach einer Lösung“, sagt Guido Pusch, der heute den Hof leitet. Da die Familie allein von der Landwirtschaft nicht leben konnte, sah man folgende Lösung vor: Die Puschs renovierten das Wohnhaus und bauten Scheune und Stallungen um. Sie organisierten einen Pflegedienst für die Oma und ließen weitere ältere Menschen dort einziehen – schließlich gab es genug Platz.“
Hohe Nachfrage: Neue Wohnmöglichkeiten für ältere Menschen
Derzeit leben 22 ältere Frauen und Männer in drei Wohngemeinschaften auf dem Pflegebauernhof in Marienrachdorf, Rheinland-Pfalz. Jeden Monat erkundigen sich etwa 300 interessierte Personen nach einem Platz zur Betreuung. Wenn Landwirte Senioren zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit betreuen, nennt man dies „Green Care“. In Österreich und den Niederlanden ist dieses Konzept bereits weit verbreitet, sagt Maria Nielsen von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, die Bauernhöfe berät, die soziale Angebote schaffen möchten. Die Nachfrage in Deutschland ist noch viel größer als das Angebot, aber es gibt mehrere Betriebe, die Wohnmöglichkeiten planen oder bald eröffnen werden.
Naturverbundener Altersruhesitz: Senioren treffen Gleichgesinnte
Die meisten dieser Betriebe befinden sich in Schleswig-Holstein und Bayern. Auf Höfen mit Seniorenwohnungen kann laut Nielsen nicht von einem generellen Mangel an Pflegekräften gesprochen werden: „Senioren-WGs auf dem Land sind beliebte Arbeitsplätze.“ Allerdings sieht sie „Green Care“ nicht als Zukunft der Landwirtschaft oder gar als Alternative dazu: „Landwirtschaft bleibt Landwirtschaft und wir wollen sie erhalten, statt zu ersetzen. Diese Angebote stellen einen neuen innovativen Zweig dar, den wir ernst nehmen sollten.“ Wenn pflegebedürftige Menschen auf Bauernhöfe ziehen, profitieren alle Beteiligten davon. Einerseits sichern sich die Landwirte ein zusätzliches Einkommen – ein Teil der Kosten wird von den Pflegekassen übernommen. Andererseits verbringen die Senioren ihren Lebensabend in einer naturnahen Umgebung mit Anschluss an eine Familie.
Tiere versorgen und gemeinsam Zeit verbringen
Wenn die Bewohner möchten und können, helfen sie mit: „Sind die Pflegeaufgaben am Morgen erledigt“, erzählt Guido Pusch, „geht es in den Stall.“ Diejenigen, die noch gut zu Fuß sind, bringen die Alpakas und Gänse auf die Weide. Andere unterstützen beim Füttern der Kühe, beschriften Honiggläser in der Imkerei oder sammeln Eier im Hühnerstall. Manche angeln im Fischteich oder kümmern sich um die Maschinenpflege. Viele dieser Tätigkeiten wecken Erinnerungen an ihre Kindheitstage. Auch wenn jemand nicht mehr aktiv helfen kann, ist er trotzdem nicht allein – stattdessen kann er Katzen streicheln und sich nachmittags zum Kuchenessen mit den Mitbewohnern treffen. Auf dem Hof von Pusch ist immer etwas los: Mal kommt der Tierarzt vorbei, mal der Metzger oder es werden Ferkel oder Kälber geboren.
Die Frau des Landwirts arbeitet als Betreuungskraft für Menschen und Tiere; seine Tochter wird bald ihre Ausbildung zur Pflegefachkraft abschließen. Sogar Puschs Mutter packt als ehemalige Krankenschwester tatkräftig mit an. Für ihr Projekt wurden sie 2023 mit dem Deutschen Pflegeinnovationspreis ausgezeichnet. Da so viele Interesse an ihrem Konzept haben, hält Guido Pusch Vorträge und berät andere Landwirte bei der Gründung einer Bauernhof-WG. Die größte Anerkennung bekam er jedoch von seinem Vater, der an Krebs erkrankt war und bis zu seinem Tod auf dem Hof gepflegt wurde: „Etwas Besseres hätten wir mit unserem Betrieb nicht erreichen können“, soll er in seinen letzten Tagen gesagt haben. Wenn dich das Thema interessiert, habe ich hier noch ein paar weiterführende links für dich.
https://www.lksh.de/landleben/land-erleben-geniessen/greencare-soziale-angebote-auf-dem-bauernhof/