Grünheide – eine gemütliche Gemeinde südöstlich vor den Toren Berlins. In der letzten Zeit ist Grünheide bekannt geworden, weil sich dort ein großer Hersteller von Elektroautos im Wald niedergelassen hat. Vorher war es den Berlinern eher bekannt als netter Ausflugsort, zwischen hübschen Seen gelegen, mit einer tollen Badestelle. Aber jetzt ist eine landesweite Attraktion dazu gekommen, Deutschlands 1. Radiosender von Senioren für Senioren. Also eigentlich das, was ich hier im Blog mache, machen die im Radio. Interessant! Radio Ginseng
Du denkst dir, dass Deutschland einen Radiosender für Senioren braucht? Dann bist du nicht allein! Genau das dachte sich auch Ulrich Burow und hat kurzerhand Radio Ginseng gegründet. Seit über zwei Jahren kannst du den Sender rund um die Uhr hören, sowohl im Internet als auch per App.
Im Gespräch erzählt der 71-jährige Ulrich Burow, dass er oft gefragt wird, was der Ruhestand für ihn bedeutet. Viele würden denken, dass man dann faul und geistig inaktiv wird. Doch Burow sieht das anders: Körper und Geist müssen sich nicht zur Ruhe legen, sondern bleiben bis zum Ende leistungsfähig, wenn man sie pflegt.
Bevor er das deutschlandweit erste Seniorenradio erfunden hat, segelte Burow gerne. Doch nun ist Radio Ginseng sein neuer Vollzeitjob. Der nicht-kommerzielle Sender ist weit mehr als nur ein Hobby für ihn. Mit 70 Jahren hat er dieses neue Projekt gestartet und ist seitdem voller Energie und Tatendrang.
Am Anfang hatte Burow unterschiedliche Mitstreiter an seiner Seite, aber mittlerweile konnte er sich auf eine treue Truppe verlassen. Der harte Kern besteht aus 20 Männern und Frauen, die größtenteils über 60 Jahre alt sind und dem Sender so viel Zeit widmen, dass es bei den wartenden Partnern und Familien zu Beschwerden kommt. Meistens ist Christian Herrmann, ein 63-jähriger, selbstständiger DJ, der noch mitten im Arbeitsleben steht, live auf Sendung. Andere Enthusiasten kümmern sich um die Programmgestaltung, Beiträge, Technik, Fördermittelanträge und die Musik. Besonders wichtig ist die Musik, denn sie macht den Unterschied für ältere Hörer aus. Herrmann erklärt: „Jede Altersgruppe hat bestimmte Titel im Kopf.“ Ein Radio, das von Senioren für Senioren gemacht wird, spielt viele Lieder, die in großen Sendern unbekannt sind. „Einer unserer Musikredakteure greift beim Planen der Musik auf ein Büchlein zurück, in das er als 14-Jähriger die Charts eingetragen hat“, erzählt Burow. Obwohl sie keine Profis sind, arbeiten bei Radio Ginseng Profis, die ihr Handwerk verstehen.
Alice Mier ist eine Frau, die es liebt, sich neuen Herausforderungen zu stellen. Um sich zu engagieren, liest sie jede Woche ein Buch und bespricht es für das Radio. Das Sprechtempo zu halten und das Aufzeichnen und Schneiden der Beiträge waren Fähigkeiten, die sie erst erlernen musste. Die 71-Jährige genießt es, ein aktiver Teil des Radioteams zu sein, denn sie wollte nicht nur Hausarbeit und Gartenarbeit machen und ihren Kopf vernachlässigen, sagt die ehemalige Schulleiterin. Durch ihre Arbeit beim Radio kann sie sich aktiv einbringen und neue Gesprächsthemen mit nach Hause bringen. Trotz des unterschätzten Aufwands möchte sie immer mehr. Zusammen mit ihrer Enkelin hat sie ein Gespräch über Feminismus aufgenommen, ein Thema, in das sie sich erst einlesen musste. Mier ist auch Teil eines Teams, das zusammen mit einem Sender aus Baden-Württemberg an einer Serie rund um Ost-West-Biografien arbeitet. Burow und Mier erzählen, dass es dabei um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Verständnis, Zuhören und Ausredenlassen geht. Sie möchten mit den Geschichten etwas zur inneren Einheit beitragen. Radio Ginseng gewann im Sommer 2021 einen vom Ost-Beauftragten der Bundesregierung ausgelobten Wettbewerb und erhielt 15.000 Euro Preisgeld für das sonst unterfinanzierte Radio. Burow hat viel eigenes Geld in das Studio gesteckt, das immerhin mietfrei in einem Haus der Gemeinde Grünheide untergebracht ist.
Aber er hat auch den Traum von einem zweiten Studio im Zentrum der Stadt. Schließlich müssen wir präsent sein. Das englische „Angel Radio“ dient ihm hier als Inspiration, da es seit 20 Jahren für jedermann sichtbar aus einem Geschäft sendet. „Radio Ginseng könnte ein Zuhause für ältere Menschen werden, wo sie sich akzeptiert fühlen können.“ Das Radio ist das wichtigste Medium, das überall hin gelangt und einfach zu konsumieren ist. Gleichzeitig strebt das Team einen regen Austausch mit den Hörern an, um neue Ideen für das Programm zu generieren. Ulrich Burow möchte ein größeres Engagement in der Zivilgesellschaft fördern und sucht deshalb noch Mitstreiter.